Hermannslauf

Magische Marke geknackt

Was in den letzten Tage vor dem Hermann vor sich ging, war nicht zu toppen. Klar, der versucht sich in der Taperphase zu erholen, es fällt schwerer und schmerzt auch teilweise aber das war nicht zu toppen. Seit den Lintorfer Citylauf lief meine Nase. Der Papier-Taschentücherhersteller musste Sonderschichten fahren und kam mit der Produktion nicht nach. Irgendwie waren die Nasenschleimhäute gereizt, Erkältungssymtome hatte ich  jedoch nicht. Am Dienstag sah mein Gesicht rund um Nase aus, wie das Hinterteil eines Pavians. Zudem schmerzte die Schulter, der Rücken, das Knie und die Leiste  enorm (irgendwas vergessen ?). Zudem stieß ich mir am Samstag noch den Fuss und wie es so will, schmerzte der ebenfalls fortlaufend. Zumindest die Rotznase reduzierte sich auf ein Minimum. 

Eines meiner Jahresereignisse: "Der Hermann" ! Nach ca. 1 Woche waren schon alle 7.700 Startplätze vergeben und wer noch starten wollte, musste hoffen einen Platz über die Startnummernbörse zu ergattern. In diesem Jahr war ich nicht so blauäugig an diesem Event gegangen. Die ganzen Monate viel auf Anstiege trainiert, mit wöchentlichen flotten langen Läufen. Die Vorbereitung war ideal. Mein Ziel war eine Zeit unter 2:35 Std., ein Traumziel die magische Marke von 2:30 zu unterbieten.  

Um 5:40 Uhr ging es zu Ciaron und anschließend über die Autobahn nach Bielefeld. Parkhaus schnell gefunden, Startunterlagen abgeholt, Torsten mit eingepackt :-) und ab in den Shuttlebus nach Detmold. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr war das Wetter ideal. Am Denkmal trafen wir noch Jens (Fluppe). Jens, Thorsten und ich starteten alle aus Startgruppe A und so entschlossen wir uns, zumindest am Anfang, gemeinsam zu laufen. Ciaron und Angelika gingen in Startgruppe C, die schon über eine halbe Stunde vorher prall gefüllt war. 

 

Der 1. Splitt genau im Soll

Direkt nach dem Start ging es direkt ansteigend in Richtung Denkmal und anschließend durch das erste Waldstück. Trotz der 1. Startgruppe war alles sehr eng und damit wir 3 zusammenblieben musste man den einen oder anderen Schulterblick nehmen. Danach ging es steil bergab mit 20 % Gefälle. Meiner rechten Wade tat dieser Abschnitt überhaupt nicht gut und ich hatte schon jetzt arge Bedenken. Trotz dieses steilen Abstieges reduzierten wir das Tempo. Die ersten beiden Kilometer genau im Soll. Im darauffolgenden Waldstück lief man zunächst Schotterwege, ehe man auf besagten Weg kam mit Ausfall - schmaler enger Weg oder Sandstück. Wir liefen den schmalen Weg, hatten zwar das eine oder andere Mal Probleme zu überholen - aber es hielt sich in Grenzen. Wobei in diesem Jahr das Sandstück, auf Grund von plattgefahren Abschnitten nicht so schlimm war wie im Vorjahr. Nach Kilometer 5 kam der erste knackige Anstieg - der Ehberg. Meine diesjährige Taktik war, jeden dicken Anstieg - flott hoch zu gehen, statt zu laufen. Die Kraft wollte ich mir einfach sparen. Selbst die ganz guten Läufer berichteten, dass sie es nicht anders machen. Für den Ehberg war noch Laufen angesagt. Jens ging ihn flott an, Torsten und ich hielten uns ein wenig zurück. 

Erster Anstieg gemeistert! Beim Tönsberg sollte es anders aussehen. Noch einmal ein sandiges Stück und nun ging es auf die Panzerbrücke. Viel Publikum an diesem Streckenabschnitt, aber trotzdem hatte ich ein wenig mehr Stimmung erwartet. Jens war nun auf und davon, an ihm konnte ich mich nicht mehr halten. Er läuft in einer ganz anderen Liga wie ich. Thorsten war einige Meter vor mir, an ihm konnte ich an der Getränkestation aufschließen. Am Ende der Panzerbrücke ging es wieder rechts hoch zu einem Waldweg. Der Weg ist völlig uneben und man muss vorsichtig sein, nicht umzuknicken. Kilometer 10: Absolut im Soll, um die 47-48 Minuten war geplant - wir lagen bei 47:05 Min.  Aber es war uns klar, das schwierigste stand uns noch bevor. Für die weiteren Splitts waren rund 2 Minuten mehr eingeplant.

 

Im flotten Schritt über den Tönsberg

Was mir ein wenig Sorgen machte, war meine rechte Wade, die scheinbar immer härter wurde.  Beim Aufwärtslaufen gings, abwärts merkte ich ein kräftiges Ziehen. Es ging immer wellig durch den Wald und die anschließende Stapellager Schlucht. Bis zum gefürchteten Tönsberg war es nicht mehr weit. Ein Läufer, der schlagartig in die Büsche springt und die Hose herunter zieht, wird vom nebenan Laufenden "auf die Schippe" genommen: "Hast schon Angst ?". Doch auch ich denke schon an den kräftigen Anstieg am Tönsberg. Hier hatte ich mir vorgenommen, flott hoch zu gehen, auch wenn der Berg sich lang zieht. Die Zeit, die verlieren würde, hole ich bestimmt wieder heraus.

Gar nicht erst laufend ausprobiert, marschierte ich den Berg hoch. Kaum einer, der versucht trabend hoch zu kommen. Letztes Jahr beim Debüt kam er mir vor wie eine Ewigkeit. Jetzt ist er schnell abgearbeitet. Wir kommen wieder schnell ins Laufen und sind oben. Eines der schwersten Anstiege ist geschafft. Mit 333 m Höhe ist er der höchste Punkt beim Hermannslauf. Immer wieder erblickt man rechts zwischen den Bäumen den imposanten Ausblick über den Teuteburger Wald. Den Abschnitt genießen und Kräfte sammeln, denke ich mir. Denn schon bald kam der Abstieg nach Oerlinghausen. Oben am Restaurant Tönsberg haben sich auch einige Zuschauer verirrt, einige mit Transparenten. Einen Satz den man immer unterwegs auf den Schildern liest: "Der Schmerz geht, der Stolz bleibt" ! Wie wahr !! Ich bin noch nicht im Ziel und bin schon jetzt stolz! Der Lauf ist wahnsinnig anstrengend, aber es macht Spaß.

Der Abstieg bahnt sich an! Thorsten nimmt zwischendurch ein Gelchip, ich hole mein Powergel aus dem Gürtel und halte es schon mal in der Hand. Mit einem Schlag geht es steil bergab über Kopfsteinpflaster. Die meisten probieren erst gar nicht über den total unebenen Weg zu laufen sondern wählen die Regenrinne. Ist zwar ebenfalls höllisch gefährlich, aber trotzdem ein wenig angenehmer. Wenn man es überhaupt so nennen kann.  Lang und steil, es dauert eine Zeit bis man unten angekommen ist. Das gröllende Publikum hört man schon von weitem. Hier spielt meine Wade verrückt, das Ziehen wird mehr. Ich nehme das Gel kurz vor der Versorgungsstation und weiter gehts. Gerade noch am höchsten Punkt der gesamten Strecke und nun am tiefsten Punkt, im Schopketal. Der Hermann verlangt einen alles ab. Viel Zeit zum Ausruhen gibts nicht. Es geht wieder leicht bergan über steinigen Waldweg. Aber diesmal lächerliche 40 Höhenmeter *Grins*. Da hatten wir schon bis jetzt ganz andere Kaliber hinter uns. Aus einer privaten Musikanlage tönt "We will rock you" - der richtige Moment, das passt. Wir sind bei Kilometer 20 angekommen: "Cool sag ich zu Thorsten, 1:37:10 Std. - Splitt 48:05 Min. - passt - eher sogar ein wenig zu schnell als geplannt. Der Tönsberg hat uns nicht so viel Zeit gekostet, wie man dachte. Man kommt aus dem Wald heraus und erblickt über ein großes Feld alle Läufer, die vor einen sind. Hier stehen einige Zuschauer und jubeln einen zu. In der Ferne sieht man das es am Ende wieder nach oben geht. Der Schotterweg ist unangehm zu laufen, aber man gewöhnt sich mittlerweile an das konzentrierte Laufen. Es geht links nach oben und hier fangen auf einmal "Engelchen und Teufelchen" mir ins Gewissen zu reden. "Ist doch ein Anstieg - kannst doch gehen"! Andererseits "Bist Du doof, das ist doch kein Anstieg im Gegensatz zu anderen Punkten". Und genauso denke ich letztlich, denn nicht weit dann kommen die Treppen da ist so oder so Schluss mit laufen.

Erstaunlich. Wir sind im ersten Startblock gestartet und wir sind ständig nur am Überholen.  Immer wieder sind hier vereinzelt Zuschauer, einer der uns mit einen Gartenschlauch abspritzt, andere Anwohner die mit Plastikbadewannen den Läufern Becher reichen. Auf asphaltierte Strecke geht es nunmehr knapp 30 Höhenmeter bergan. Jetzt geht jeder Anstieg langsam an die Substanz. Aber dafür hat man monatelang trainiert. Wieder leicht bergab und nicht mehr weit, nach Überqueren der Autobahnbrücke und der anschließenden Verpflegungsstation kommen die berüchtigten Lämmershagener Treppen. 45 Höhenmeter verteilt auf 130 Treppenstufen. Die Stufen sind unterschiedlich weit auseinander und krumm und schief. Hochlaufen sehe ich hier gar keinen. Thorsten und ich kraxeln ebenfalls hier hoch. Zunächst 85 Stufen, anschließend nach einer kurzen Passage von rund 80 Metern, kommen weitere 45. Wer hier noch nicht auf dem Zahnfleisch geht, hat alles richtig gemacht. Wichtig ist hier im entscheidenen Moment wieder ins Laufen zu kommen. Oben angekommen geht es nämlich nur für einen ganzen kurzen Moment flach, bevor es weiter über Schotterwege und Waldwege bergan geht. Immer wieder gönnt man sich zwischendurch einen kurzen Moment zum Ausruhen, kommt aber wieder schnell ins Laufen. Hier haben wir sicherlich mächtig Zeit verloren, aber egal - das spielt keine Rolle! Es geht hoch zum "eisernen Anton" wieder auf 309 m. Neben mir ein Läufer, der mit Krämpfen zu kämpfen habe. Ich gebe ihn von meinen Salztabletten ein paar ab.

Lämmershagen und Eiserner Anton kosteten viel Zeit
Komm immer wieder schnell ins Laufen, denke ich mir. Thorsten signalisiert mir das ich Ziehen soll. Immer wieder trabend, aber der innere Schweinehund siegt und bringt mich sogar wieder ins schnelle Laufen. Ich blicke zwischendurch mal nach hinten und kann Thorstens blaues Shirt nicht erblicken. An der Osningstraße bei km 25,8 gehts noch einmal steil bergab, bevor es nach der Querung genauso steil bergan noch einmal geht. Ich schaue auf die Uhr: Diese Anstiege haben nunmehr kräftig an Zeit gekostet. Ich rechne hoch und komme auf eine Zeit von 2:31:30 Std., wenn ich so weiter laufe. Und nun kommt für mich der vielleicht beste Laufabschnitt, den ich je gelaufen bin. Auch wenn der noch der Spiegelberg vor einem ist - "ich will diese 1:30 Min. rauslaufen". Wenn Du jeden Kilometer um die 4:40 Min. läufst, kannst Du es schaffen. Der Spiegelberg ist zwar noch mal ein wenig langsamer, aber ich düse wie aufgezogen und arbeite nun jeden Kilometer ab. 4:31 Min. - geschafft, nur noch rund 1 Min. Rückstand. Ich renne und renne, überhole und überhole. Wenn mir das einer vor ein paar Kilometern gesagt hätte, welche Kräfte man noch mobilisieren kann, den hätte ich für verrückt gehalten. Manche Kilometer sind weiter hin wellig, aber ich denke gar nicht darüber nach, sondern eher: "Versuch es, versuch es! Ich hole zwar nicht bei jeden Kilometer auf, denke aber, das nichts unmöglich ist. Hinter dem Teich am Hotel Brand`s Busch gehts zwar noch für einen kurzen Moment bergan, aber ich habe nunmehr so viel herausgelaufen, wenn ich jetzt nicht völlig einbreche, kann ich es schaffen. Kilometer 30 hatte ich in 4:08 Min. geschafft. Das Denken habe ich jetzt abgestellt, ich renne und renne: Ich laufe die letzten 1,1 km auf der Zielgerade in 4:14 Min.! 2:29:22 Std. !!! Geschafft !! Das war mental der beste Lauf, den ich je hatte ! Trotz der Erschöpfung und der Wadenprobleme, mental absolut Top ! 15 Minuten schneller als letztes Jahr. Diesen wahnsinnig schwierigen Lauf mit diesen Anstiegen in einer Durchschnittspace von 4:48 Min. ! Ich freue "mir einen Ast ab!"

Noch habe ich einiges an Zeit bis Ciaron und Angelika ins Ziel kommen und ruhe mich an verschiedenen Stellen im Zielbereich aus. Völlig überraschend kommen sie beide viel eher ins Ziel als erwartet: Wahnsinn ! Leider trübt der Sturz von Angelika ein wenig die Stimmung. Sie nimmt es gelassen - ich eher nicht, irgendwie kann ich mich nunmehr nicht mehr so freuen über diesen Lauf. Schon recht nicht nachdem sie tagsdarauf ihre Diagnose erhält.

141. Wettkampf Datum Distanz Zeit Gesamtplatz AK-Platz
  17.04.2011 31,1 km 2:29:22 Std. 454. von 5.621